Im 16. Jh. wurden die ersten Infanterieregimenter mit Feuerwaffen ausgestattet. Zuerst mit der Arkebuse, dann mit der Muskete, mit der zunächst nur ausgesuchte Fußsoldaten ausgerüstet wurden, die dann logischerweise Musketiere genannt wurden. Allerdings war die Muskete schwerer als die Arkebuse, sie konnte bis zu 15 Kilogramm wiegen und brauchte deswegen eine Gabel, auf die man sie stützte. Sie wurde entweder mit einem Radschloss oder mit einer Lunte gezündet und besaß eine größere Reichweite und Durchschlagskraft als die Arkebuse – anscheinend aufgrund ihrer Größe und Länge.
Einige Jahrzehnte später war die Zahl der Musketiere schon gewaltig angestiegen, es gab sie in fast allen Regimentern und auch in der Kavallerie.
Doch erst mit Henri IV bekamen einige dieser Soldaten einen Sonderstatus: Er gründete nämlich eine Leibgarde, die aus Adligen bestand und die ihn in alle Kämpfe begleitete. Doch auch sie konnte ihn nicht vor dem Anschlag schützen, der ihn schließlich das Leben kosten sollte.
1622 gründete Ludwig XIII dann das Musketierkorps, das dem König direkt unterstand und für seine Sicherheit zu sorgen hatte. Diese Einheit wurde aus Chevaulégers, d.h. leichten Reitern, gebildet und hieß zuerst Kompanie der ´mousquetons´ (=kleine Musketen), dann Kompanie der Musketiere. Ein derartiges Leibregiment war sicherlich eine richtige Entscheidung in einer unruhigen Zeit, man denke an die Ermordung Henri IV 1610, an Concini 1617, den Tod des Duc de Luynes 1621 – Ludwig sah sich ständigen Intrigen ausgesetzt und Richelieu, Kardinal seit 1622, war noch nicht stark genug, um seine Sicherheit zu gewährleisten. Auch die außenpolitische Situation war unsicher: Der dreißigjährige Krieg wütete in Europa, zwischen Spanien und den Niederlanden kriselte es.
Diese erste Kompanie war recht klein, sie bestand aus etwa hundert Mann, einem Sergeant, einem Leutnant, einem Fähnrich und einem ´Capitaine`. (Dieser Titel existiert laut Wikipedia im Deutschen nicht, es handelt sich um einen Ehrentitel). Die meisten Angehörigen dieser Kompanie waren Adlige, meistens jüngere Söhne, die keinen Erbanspruch hatten und vermutlich nicht besonders reich waren, sie konnten sich gerade eine Muskete, ein Schwert, ein Degengehänge und neue Kleider leisten. Sie traten in den meisten Fällen den ´Gardes Françaises´ bei, wo sie zwei bis drei Jahre dienten und eine Ausbildung erhielten, erst dann konnten sie sich bei dem Eliteregiment der Musketiere bewerben. Doch nicht alle wurden genommen, die ´capitaines´, zuerst Jean de Montalet und Jean de Vieilchastel de Montalant, bevorzugten Edelleute aus der Gascogne oder aus dem Béarn.
Die Musketiere waren wie gesagt eine Elitetruppe, die in vielen Kämpfen an vorderster Front eingesetzt wurde – und die sich, honneur oblige, anscheinend tapfer schlugen. So bewiesen sie bei der Belagerung von La Rochelle 1627, in Savoyen 1629, in der Lorraine 1632 einen solchen Schneid, dass sich Ludwig XIII 1634 prompt an die Stelle des ´capitaines´ setzte und ihrem bisherigen ´capitaine´ den Rang eines ´capitaine-lieutenants´ zuwies. Der erste ´capitaine-lieutenant´ war Jean de Peyré, comte de Troisville, was man damals ´Tréville´ aussprach. Er war davor ´capitaine´ bei den Gardes-Françaises und Vertrauter Ludwigs XIII – mit Richelieu verband ihn eine enge Feindschaft, anscheinend hatte er sogar Ludwig 1630 geraten, den Kardinal zu eliminieren.
So scheint die Rivalität zwischen den beiden Kompanien - der der Musketiere des Königs (blaue Kasacken mit silbernem Lilienkreuz) und der des Kardinals Richelieu (rote Kasacke mit dem weißen Kreuz und angeblich nur Fußsoldaten) - tatsächlich bestanden zu haben.
Wenn sie nicht im Krieg waren, dann wurden die Musketiere des Königs bei den großen Reiterparaden oder bei Hoffesten eingesetzt, in ihrer Freizeit streiften sie durch Paris und sorgten auch da mehr oder weniger für Sicherheit. Es gab keine spezielle Ausbildung für die Musketiere, aber die meisten hatten eine militärische Ausbildung bei den Gardes-Françaises durchlaufen. Als Adlige war ihnen der Umgang mit Waffen vertraut und der Degen war ihnen die liebste Waffe, deren Handhabung sie in den etwa zwanzig Waffensälen, die es in Paris gab, vertieften.
Sie galten als arrogant und aufschneiderisch, streitsüchtig , aufsässig und arm. Doch in einem Paris, dessen Straßen eng, schmutzig, unbeleuchtet und von Halsabschneidern frequentiert waren, war dies vielleicht überlebensnotwendig. Sehr oft suchten die Musketiere des Königs Händel, schlugen sich aller Edikte zum Trotz im Duell, auch wenn Zuwiderhandlungen durchaus mit dem Tod bestraft wurden.
Ihr Haupteinsatzbereich blieb aber der Krieg, sie waren Soldaten, und nahmen in der zweiten Hälfte des 17.Jh. an den Belagerungen von Arras (1640), von Aire-sur-la-Lys, Bassée und Bapaume teil, außerdem schlugen sie sich in den Feldzügen des Roussillons (1641 und 1642), begleiteten den Comte d´Harcourt nach England zur Unterstützung von Charles I (1643) und zogen 1644 und 1645 nach Flandern.
Doch mit dem Tod ihrer Beschützer, Ludwig XIII (1643) und Richelieu (1642), war das große Zeitalter für die Musketiere vorbei, denn Mazarin schaute auf die Staatsfinanzen und löste die Truppe 1646 erst einmal auf. Aber schon 1652 gründete er eine neue Kompanie zu seinem eigenen Schutz, gefolgt von Ludwig XIV, der 1657 eine zweite aufstellte. 1665 wurden die beiden Truppen zusammengelegt, man unterschied sie durch die Farbe ihrer Pferde, grau oder schwarz. Ludwig XIV schickte sie wieder in den Krieg und bei dem Angriff auf eine Befestigung der Stadt Maastricht wurde ihr capitaine-lieutenant d´Artagnan am 25 Juni 1673 getötet.
1682 zog Ludwig XIV nach Versailles und die Musketiere blieben in ihren Kasernen in Paris um dort für Ordnung zu sorgen. 1775 wurden sie aufgelöst, 1789 wieder eingesetzt, 1792 wieder aufgelöst, 1814 wieder eingesetzt und 1815 definitiv aufgelöst.
Die Musketiere gehörten zu der ´Maison militaire du roi´, d.h. ihre Kompanie war direkt dem König unterstellt. Ludwig XIII wollte, als er die Kompanie 1622 gründete, dass sie ihn überallhin begleiteten, sogar auf die Jagd, ein Privileg, das sie in direkten Kontakt mit dem König brachte. Sie wurden das ganze Jahr hindurch bezahlt, während andere Soldaten nur bei einem Einsatz ihren Sold erhielten. Auch ihre Ausrüstung wurde in großen Teilen von der Staatskasse bezahlt – kein Wunder, dass Mazarin diese Kompanie zu teuer fand. Sie mussten sich im Gegenzug der Disziplin ihrer Truppe unterwerfen und in der grauen und schwarzen Kompanie (unter Ludwig XIV) wurde Abwesenheit von der Kaserne streng bestraft. Ja mehr noch, Ludwig XIV machte aus ihnen eine Art Prototyp der ersten militärischen Schulen und verpflichtete die Musketiere, sich einer regelrechten Ausbildung in verschiedenen Disziplinen zu unterziehen.
Unter Ludwig XIII war die Disziplin nicht ganz so streng, abgesehen vom Dienst an sich und der Ausbildung zu Pferd und an der Waffe, waren die Musketiere recht frei in ihrer Freizeit. Spaziergänge beim Cimetière des Innocents, Besuch von Salons à la mode wie der von Ninon de Lenclos, von Schenken, Kartenspiele, Würfelspiele … und Duelle waren an der Tagesordnung.
(Übersetzt von Claudia Harter, Artikel aus der Zeitschrift ´Historia´, April 2011, Nr. 772: ´La garde très rapproché de Louis XIII, la vie parisienne des mousquetaires en temps de paix´. Das im Text kursiv gesetzte ist ein Zusatz von mir, alles andere habe ich sinngemäß übersetzt und stellenweise etwas zusammengefasst.)