Die Drei Musketiere – Kampf um Frankreichs Krone

Athos

2013 kam dieser Film in die russischen Kinos und der deutsche Zuschauer reibt sich die Augen: Keine rockigen Lederwämser, keine Glatzen – zumindest nicht bei den Hauptdarstellern - keine Piraten, keine Luftschiffe, nein, echte Pferde, die bekannten blauen Kasacken, zeitgemäße Kostüme und sehr überzeugende … naja, meistens überzeugende Haar- und Barttracht. Allein schon deshalb hat der Film einen Pluspunkt verdient, auch wenn die Kulissen manchmal etwas künstlich aussehen - der Felsen der Bastion St. Gervais, den Porthos wirft, wirkt zum Beispiel ziemlich ´handmade´. Der deutsche Untertitel und das Coverbild der DVD sind ebenfalls unterirdisch, aber wer sich davon nicht abhalten lässt, den Film zu kaufen, wird mit einer durchaus positiven Entdeckung belohnt: Zuerst einmal ist der Film so richtig schön lang. Wenn man sich nämlich die DVD mit der Serie zulegt, dann dauert das Filmvergnügen ungefähr 7 ½ Stunden, das ist fast genauso lang wie die Diamant-Berger-Verfilmung. Die ist noch dichter am Buch, aber auch dieser Film respektiert das Originalwerk und bereichert es um einige gelungene Ideen – und so etwas kann man nun mal nicht in zwei Stunden Kinofilm pressen. Meistens gehen ja die Nebencharaktere flöten, sprich Madame Coquenard kommt selten bis gar nicht vor und auch Maître Coquenard verschwindet in der Versenkung, von dem Diner beim Advokaten ganz zu schweigen – in dieser Verfilmung bekommt Porthos tatsächlich einen mageren Hühnerflügel und eine ´streng´ riechende Suppe vorgesetzt, der Maître darf sterben und Madame Coquenard erben. Und mitsamt der Erbschaft als Baronin du Vallon bei der Belagerung von La Rochelle vorfahren! Auch de Bussigny, der Schweizer, erhält eine größere Rolle als nur Athos´ Gegenpart bei der Wette um das Frühstück in der Bastion St. Gervais, denn Ketty verliebt sich in ihn, anstelle von d´Artagnan – auch nicht schlecht, der Gascogner gefällt eh schon zu vielen Frauen. Die Hauptcharaktere selbst sind in dieser Interpretation meiner Meinung nach recht gut getroffen, selbst das Aussehen finde ich akzeptabel, aber da scheiden sich sicher die Geister. Athos ist nobel, dem Alkohol mehr als zugeneigt und todessehnsüchtig, diese melancholische Seite wurde sehr stark betont und auch begründet – was mir sehr gut gefallen hat. Hier hat er zwar seine Frau auf dem Gewissen, aber sie auch ihn, und zwar weitaus offensiver als im Roman: (Vorsicht Spoiler) Sie hat ihn nämlich vergiftet, mit einem langsam wirkenden Gift. Er liebt sie dennoch und geht langsam zugrunde.

Mylady

Porthos und Aramis sind auch einigermaßen passend besetzt, vor allem Porthos kommt sehr authentisch rüber. Ihre Rollen wurden, verglichen mit anderen Filmen, ausgeweitet, Aramis´ Liebschaft mit Marie Michon spielt eine wichtige Rolle und seine Abkehr von den Musketieren und sein Eintreten in den Lazarusorden wird durch Maries Untreue begründet. Der Film verändert also ein wenig den Roman, baut die Charaktere aus, aber auf eine sehr überzeugende und runde Art und Weise. Selbst Bonacieux wird menschlich und fast sympathisch … Nur Tréville ist ein wenig zu sehr zur Witzfigur verkommen, man nimmt ihm den gestrengen Capitaine nicht wirklich ab, obwohl er sehr sympathisch wirkt. Rochefort scheitert ein wenig zu oft, hat aber ebenfalls mehrere Facetten und wird gegen Ende doch noch ein wenig vielschichtiger. Auch nicht ganz so sehr überzeugt haben mich die Kulissen, grad La Rochelle wirkt ein wenig … einfach und eben ´handmade´ - selbst die Kanonen haben keinen Rückstoß, naja, das sieht nicht nach Krieg aus. Dass d´Artagnan vor der belagerten Stadt ruft, das sei aber schön, ist auch ein wenig geschmacklos. Die Orte, an denen gefilmt wurde, passen nicht immer, Tanzszenen finden in einem Rokokopalais statt, Richelieus Büro ist in einer Kirche und oft wirken die Schauspieler ein wenig verloren in den großen Hallen. Allerdings sind die Paläste edel und ausgesucht, die Dekoration in den Innenräumen stimmig und grad bei den Schenken sehr passend für die Zeit, ohne dieses bemüht grobe Mittelalterfeeling, das in einigen neueren Verfilmungen angestrebt wurde. Die Fechtszenen sind in meinen ungeübten Augen ansprechend und sehr abwechslungsreich, die Reitstunts haarsträubend – und das auch noch in Zeitlupe! Also eigentlich sehr gut, nur hätte ich gern eine Bemerkung am Ende gehabt, dass da kein Tier zu Schaden kam. Der Film überzeugt durch Witz und Düsternis, beides vereint, genau wie der Roman. Kein Happyend, keine alles tragende und durch nichts zu erschütternde Freundschaft (zumindest fast nicht, gaanz zum Schluss wird es dann doch ein wenig zu schön. Aber nur in den allerletzten Minuten) und nicht nur Haudraufaction – für mich war er eine echte Entdeckung und er rangiert in meiner Wertschätzung nun genau hinter dem Diamant-Berger.

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